Hymnus der Lebensfreude



Magdeburg. Mit mehr als 300 Mitwirkenden inszenierte Ballettdirektorin Irene Schneider auf der Seebühne im Elbauenpark Carl Orffs "Carmina Burana" als mittelalterliches Tanzspektakel voller Sinnlichkeit und Lebensfreude. Nach den Open-Air-Aufführungen von "Schwanensee" in den vergangenen Jahren wurde es wiederum ein großer Erfolg für die Magdeburger Ballettcompanie.

Mit der mächtigen, chorischen Anrufung der Schicksalsgöttin Fortuna beginnt die musikalische und tänzerische Bebilderung der von Carl Orff in seinem 1937 uraufgeführten Cantus profanae "Carmina Burana" ausgewählten spätlateinischen und mittelhochdeutschen Lieder und Gesänge. Anders als bei ihrer vor einigen Jahren kreierten Ballettversion von "Carmina Burana", hat Irene Schneider diesmal die weltlichen Gesänge als ein grandioses choreografisches "Bildertheater" von visueller Kraft mit bis in kleinste Detail durchdachter szenischer und choreografischer Einfälle für Sänger, die Solisten und Corps de ballet der Ballettcompanie sowie die Eleven der Magdeburger Theaterballettschule inszeniert. 
Irene Schneider gelang in farbenprächtiger Ausstattung (Waltraud Mau/Eberhard Matthies) ein furios-getanztes Ballett-Theater, das im Wechsel der Stimmungen, von Lust und zarter Empfindung, baccantischer Ausgelassenheit und tänzerischer Derbheit im Spiel der Gefühle in seiner Opulenz, Symbolhaftigkeit und Natürlichkeit zuweilen an die kraftvollen Bilder von Hieronymos Bosch erinnert. Die in den drei Teilen : "Primo vere", "In Taberna" und "Cour d`amours" aufgeteilten Gesänge des Orffschen Chorwerkes werden in Irene Schneiders Inszenierung durch die Figur des "Todes" als Gegen- und Mitspieler, als das "andere Gesicht" der Fortuna verbunden. Der Tod in der meisterhaften kraftvoll-eleganten, tänzerischen Ausformung durch Alexandre Sementshoukov mischt sich ein in den Reigen der Liebesleute beim Frühlingsfest mit Primavera (Valeria Tsoi), zecht in der Taverne mit Mönchen und amüsiert sich mit den Huren. Menschenverachtend fordert er den Ritter (Dmitrij Chliaktenkov) zu einem furios getanzten Zweikampf heraus und holt sich nach und nach seine Opfer mitten aus dem Leben und triumphiert letztlich über allem. 
Daneben als Sinnbild der reinen Liebe ein Paar, das sich in immer neuen, eindrucksvoll getanzten klassischen Variationen findet und verliert (Natalja Krylova, Konstantin Osin) und schließlich von Venus (Giséle Santoro) in einer beeindruckend getanzten Apotheose glücklich vereint wird. Das Interessante an diesem "choreografischen Theater" ist, wie Irene Schneider die Sänger der Solopartien in den Reigen der Tänze einbindet, die Tänzer deren Gesänge durch Bewegungsattitüden tänzerisch "kommentieren". 
Vor allem im farbenprächtig-ausgestatteten Teil "Cour d`amours", bei dem die Liebesgöttin Venus hoch zu Ross erscheint, gelingen in diesem Miteinander von Tänzern und Sängern kraftvoll-schöne Bilder. Ohne die Mitwirkung der Schülerinnen der Magdeburger Theaterballettschule, die vor allem im Beherrschen des klassischen Vokabulars Erstaunliches zeigten, wäre diese Aufführung freilich kaum zustande gekommen.
Jan-Michael Horstmann beeindruckte einmal mehr durch seine auch in der Zusammenarbeit mit Pina Bausch geschulte rhythmischen Akzentuierung am Pult der Magdeburgischen Philharmonie. Die Chöre hatten in ihrer differenzierten Massierung und fülligen Klangschönheit überzeugendes Format!

Herbert Henning

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